Geschichte

Die Schweizer Sozialdemokratie vor 1888

Der 21. Oktober 1888 ist nicht das einzige, vor allem nicht das erste Gründungsdatum einer gesamtschweizerischen SP. Bereits am 14. März 1870 hatte Hermann Greulich in Zürich den Gründungsversuch einer SPS nach dem Eigenacher Vorbild, unternommen. Organisatorisch blieb dieser Versuch aber wirkungslos. 1880 kam es als Folge der Auflösung des Arbeiterbundes (gegründet 1873) zu einer zweiten Gründung, die immerhin so erfolgreich war, dass bei der definitiven Gründung durch Albert Steck im Jahre 1888 noch sechs Sektionen bestanden. Eine Koordination durch ein Sekretariat oder einen Vorort fand aber bis 1888 auch durch diese 80-er Gründung nicht statt.

Vor allem in Genf, aber auch bereits in Zürich und Bern entstanden in den frühen fünfziger Jahren erste sozialdemokratische “Sektionen”. Die personellen Ueberschneidungen mit Mitgliedern des 1888 von Glarnern und Appenzeller Handwerkern in Genf gegründeten Grütlivereins waren häufig. Jakob Treichler (1822- 1906) und Karl Bürkli (1823- 1901) gehörten dem Grütli-Verein ebenso an, wie der SP Zürich. Oft kandidierten politisch aktive Sozialisten auf Listen der Demokraten, wie sich überhaupt bis in die achtziger Jahre die demokratische linksradikale und sozialdemokratische Bewegung überschnitten. Noch bevor der als Handwerkerbilungsinstitution gegründete Grütliverein, in den fünfziger Jahren auch im engeren Politischen Sinne aktiv wurde, gründete sein wichtigster Kopf Albert Galeer (1816- 1851), 1849 in Genf die Partei der “democrates socialistes”. Fast alle diese frühen sozialen demokratischen Tendenzen und Gründungen basierten auf den Theorien der Franzosen Louis Blanc, Etienne Cabet oder Charles Fourier die ehr genossenschaftlich orientierten Bewegungen auf Frühsozialisten wie Robert Owen.
Die erste Internationale (1864 in London) löste auch in der Schweiz eine Welle von sozialdemokratischen Gründungen aus. Sie überschnitten sich jetzt bis 1888 zusätzlich mit gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Bestrebungen, in der Romandie zusätzlich mit anarchistischen Theorien. Die 1871 in Genf gegründete “Kantonalpartei” dürfte die grösste der Schweiz gewesen sein und hatte auch die Unterstützung der politisch äusserst aktiven deutschen Handwerker und Emigranten, etwa von Johann Philipp Becker (1809- 1886). Eine Kontinuität gewährten in der Regel aber nur die Organe der betreffenden Bewegungen, etwa die Zürcher “Tagwacht” der 70-er Gründung. Bis 1888 waren im Schweizer Sozialismus neben den Gedanken der Frühsozialisten nun auch die Theorien von Ferdinand Lassalle, Friedrich Albert Lange und allmählich auch Karl Marx bekannt und massgeben.

Die Gründung der SP Schweiz am 21. Oktober 1888

Am 21. Oktober 1888 wurde in Bern gleichzeitig der Verband des Schweizerischen Arbeitertages aufgelöst und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz gegründet. Im Sitzungssaal des Stadtrates waren 60 Arbeitervereine, zum grossen Teil Gewerkschaften, zum kleinsten Teil Grütlivereine vertreten. Der Verband selbst zählte rund 120 einzelne Vereine.
Die Delegierten hatten sich gemäss einem Aufruf des Aktionskomitees bereits am Vorabend um 20 Uhr im “Biergarten” an der Aarbergergasse getroffen, um eine Vorversammlung abzuhalten. Die Teilnehmer sollten dann – so der Aufruf – Privatquartieren und möglichst billigen Unterkünften in Gasthöfen untergebracht werden.
Das Protokoll vermerkt die folgenden Teilnehmer, die sich zu Wort gemeldet haben: Reichel (Tagespräsident), Conzet (Vizepräsident), Merk und Lüthi (Sekretäre). Emmel (Stellvertreter), Preiss, Schwab, Gwiner und Wehn (Stimmenzähler), Schrag, Pfeninger, Brunner, Steck, Lang, Peier-Leu, Geiser, Meier, Priker, Wullschleger, Grunewald, Schmidt, Bichsel, Schaller, Oswald, Rentsch und Büchi.
Die Versammlung beschloss wie beantragt, den Arbeitertag aufzulösen und an seine Stelle eine sozialdemokratische Partei mit Statuten und Arbeitsprogrammen treten zu lassen. Die ausländischen Gesinnungsgenossen die der Partei nicht beitreten konnten, wurden an die Gewerkschaften verwiesen. Erster Vorort wurde, nachdem Basel schon im Vorfeld abgelehnt hatte, Bern.
Die Beschlüsse wurden anfangs November den Vereinen des Arbeitertages zur Abstimmung unterbreitet. Das Aktionskomitee unter Nyffeler, das diese Sekretariatsarbeiten noch durchführte, erwähnte auch bereits den Versand von “Partei-Mitgliederkarten”.

Einige Daten zur Geschichte der SP Schweiz

1888  Die SP Schweiz wird am 21. Oktober von Albert Steck in Bern gegründet. Vorläufer der Bewegung sind seit der Jahrhundertmitte Arbeiterbildungssvereine und Selbsthilfeorganisationen
1891  SP-Initiative “Recht auf Arbeit”
1912  Der SPS-Parteitag setzt sich für das Frauenstimmrecht ein. Dieses wird 1971  gesamtschweizerisch eingeführt.
1913  SP-Initiative für den Nationalproporz, 1918 erfolgreich.
1918  Der Arbeitskongress mit der SPS-Spitze (Oltener Komitee) beschliesst den Generalstreik.
1920  Die Kommunisten spalten sich von der SPS ab.
1935  Die SPS anerkennt die Landesverteidigung
1943  Die Nationalratswahlen machen die SPS erstmals zur stärksten Partei im Land. Ernst Nobs (ZH) wird SP- Bundesrat.
1948  Die AHV, eine Forderung der SPS seit ihrer Gründung, wird verwirklicht.
1970  Die SPS-Initiative für eine soziale Krankenversicherung wird gestartet, scheitert aber wie auch der Gegenvorschlag am sogenannten “doppelten Nein”.
1982  Die Preisüberwachungsinitiative mit massgeblichem SP-Anteil wird angenommen.
1983  Das neue SPS-Programm von Lugano, das traditionelle soziale mit neuen ökologischen Anliegen verbindet, tritt in Kraft.
1983  Die SPS verlangt eine Sondersession der eidgenössischen Räte (Waldsession) zum Schutze unserer Wälder.
1986  Die SPS lanciert mit fortschrittlichen Parteien zusammen die Initiative für einen Ausstieg aus der Atomenergie.

Die Sozialdemokratische Partei Elgg

Während meinen Nachforschungen in den Büchern der Stadtbibliothek Winterthur, stiess ich auf den Hinweis, dass um 1870 in Elgg ein Grütliverein bestanden hat, aus dem sich dann vermutlich die SP herausgebildet hat. Im Gegensatz zum Geschichtsbuch über die Gemeinde Elgg von K. Mietlich, der behauptete, dass die SP am Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, habe ich in alten Jahresberichten der Arbeiterunion Winterthur herausgefunden, dass die SP im Jahre 1906 als Arbeiterverein gegründet wurde. Dieses Vereinsgebilde kann man zwar nicht als eigentliche Partei betrachten, aber da sie die gleichen Zielsetzungen hatten wie die SP, betrachte ich es als dasselbe.
Der erste Präsident war Jean Stadelmann. Weitere Gründungsmitglieder sollen Koni Büchi, Richard Schmidt sen. und Karl Büchi gewesen sein.
Die damaligen Genossen zeigten sich sehr aktiv, hier eine Auswahl aus ihren Aktivitäten:

1906  Gründung der SP-Elgg unter dem Namen Arbeiterverein
1907  Stellungnahmen zu allen kommunalen- und regionalen- politischen Fragen, verschiedene Veranstaltungen. Bei Flugblattaktionen mussten sie sich gegen die rechtskonservativen und wohlhabenden Elgger gegen Angriffe mit “Stecken” und “Schwarten” erwehren.
1908    Es fanden 12 Veranstaltungen mit durchschnittlich 10 Besuchern statt. Bei 17 Mitgliedern.
1909    8 Versammlungen durchschnittlich 9 Besucher
1910    9 Versammlungen durchschnittlich 9 Besucher
1912    Auflösung des Arbeitervereins Elgg
1914    Neugründung als Sozialdemokratischer Verein Elgg
1916    Es fanden sehr emotional geführte Ersatzwahlen für die Notariatsstelle, “darob der Kirchturm ins wanken gerat”, statt. Unsere Genossen hatten den Grössenwahn und wollten unbedingt jeden Posten mit einem Sozialisten besetzen. Stiessen damit natürlich bei den Bürgerlichen Parteien auf grossen Widerstand.
1917    Integrierung der Jugendsektion in demselben Bezirk. Gründung einer Sozialdemokratischen Jugendorganisation mit 10 Mitgliedern
1918    Generalstreik: Die Elggergenossen sollen sich sehr stark engagiert haben, so dass einzelne Exponenten darob ihre Stelle verloren. Eine Abordnung von Arbeitern die auf Fahrrädern aus Winterthur kommend in Elgg auf die Einhaltung des Streikaufrufs achten sollten, wurden zusammen mit den hiesigen Sozialisten von der eilends zusammengerufenen Bürgerwehr brutal verprügelt. Das sollen übrigens die einzigen Gewalttätigkeiten in der Region gewesen sein.
1919 Wahlsiege in verschiedenen Behörden. Gemeinsame Veranstaltungen mit den umliegenden Gemeindesektionen. Es wird ein starker Stimmengewinn festgestellt. Die SP wurde zur zweitstärksten Partei im Dorf
1920 In diesem Jahr wurden die Aktivitäten durch das neue “Seuchengesetz” stark beeinträchtigt.
1925 In Elgg erlebte man wieder das Schauspiel, dass Arbeitervertreter, wenn sie das Vertrauen der Arbeiterschaft verlieren, vom Bürgertum als “Armenvertreter” wieder gewählt werden.
1929 Die Sozialdemokraten gewinnen bei den Eidgenössischen Wahlen immer mehr Stimmen, vor allem auf Kosten der Demokraten

 1923  1926  1929
 Sozialdemokraten  691  988  1’051
 Bürgerliche zusammen  3’620  3’229

1930  Für die Initiative für die Verhältniswahl des Regierungsrates werden 74 Unterschriften gesammelt. In diesen Zeiten bestand die Hauptaufgabe vor allem darin, sich um das Los der vielen Arbeitslosen der Wirtschaftskrise zu kümmern.
1931  Am 27. September fand die Arbeiter-Landsgemeinde in Elgg statt. Zitat:
Einen schöneren Auftakt zu den Nationalratswahlen hätte sich die Arbeiterschaft des Bezirks Winterthur nicht schaffen können. Frühmorgens marschierten unsere roten Falken über Hundert an der Zahl, hinauf ins malerische Städtchen. Das Gros der Arbeiterschaft folgte nachmittags in zwei Zügen und in langen Kolonnen die Arbeiterradfahrer. Ein Demonstrationszug, wie ihn Elgg noch nie gesehen hat, marschierte auf den Lindenplatz, wo Genosse Robert Bolz, Redakteur, über die Bedeutung der bevor stehenden Wahlen sprach. Auf einer naheliegenden Waldwiese, wo die Parteigenossen von Elgg einen Verpflegungsposten in mustergültiger Weise eingerichtet hatten, spielte sich anschliessend ein kurzes frohes Lagerleben, ab. Die versammelten Genossen haben an diesem Tage in machtvoller Einheit den Kampfswillen für den sozialistischen Vormarsch behandelt.

Bei den Nationalratswahlen erhielten Stimmen:

Sozialdemokraten:  161 (1928 bloss 118)
Demokraten:  53
Bauern:  144
Freisinnige:  33
Christlich Soziale  9
Evangelische  4
Kommunisten  5
1932-1937  Verschärfte Aktionen und Propaganda gegen den neu aufflammenden Faschismus in Europa.
1938  50 Jahre SPS
1939 + 40  Wegen des Krieges und der Abwesenheit vieler Mitglieder erlahmt der Widerstand.
1941  Mit Genugtuung wird auf das vergangene Jahr zurückgeblickt. Krisenhilfe, Winterhilfe und Wehrmännerunterstützung sind in Elgg eine Selbstverständlichkeit. Die Haltung der politischen Mehrheit in der Gemeinde gegenüber der Minderheit ist allerdings alles andere als ritterlich, so dass unsere Partei weder im Gemeinderat noch Primarschulpflege, vertreten ist.
1943  Elgg unter der regen Führung von Emil Albert, meldet von flotter Versammlungstätigkeit und sorgfältiger Betreuung der gemeindepolitischen Fragen (Arbeitsbeschaffung, Fürsorge, etc.).
1944-1950  Ueber diese Jahre sind keine nennenswerten Vorkommnisse zu berichten. Ausser über die Arbeit von Emil Albert.

Die Zeit nach 1972

Von diesem Zeitpunkt an sind uns die meisten Dokumente erhalten geblieben und ich habe versucht, das Wichtigste zusammen zu fassen Für Interessierte, die sich weiter und näher damit beschäftigen wollen, stehen die Unterlagen sicher jederzeit bereit. Zu hoffen ist, dass nicht ein zweites Mal alles abhanden kommen wird.

Hier ein kleiner Einblick in die umfassenden Unterlagen: Besondere Aktivitäten:

1976 Verschiedene Veranstaltungen im Hinblick auf die Wahlen wurden durchgeführt. Mit Flugblättern, Artikeln in den Zeitungen und einem Referat von W. Gilomen SMUV, Kantonsrat, Winterthur.
1977 Durch geschickte Propaganda von P. Zeugin gegenüber der SVP wurde B. Inauen in die Oberstufenschulpflege gewählt. Neue Statuten wurden ausgearbeitet. Referentin an der Maifeier: Lilian Uchtenhagen
1977 Ausserordentliche GV: Unerwarteterweise tritt M. Barandun als Vizepräsident zurück. Neu gewählt wurde Frau Inauen.
1978 Veranstaltungen zum Thema Fristenlösung und zum Thema Reichtumssteuer mit zum Teil recht grossem Erfolg. Bei den Gemeindewahlen erzielte man beachtliche Erfolge.
1979 Hinschied unseres langjährigen Genossen, A. Morgenthaler Erstmai-Referent war E. Wohlwend.
1980 Arbeitsgruppenbildung zu den Themen Entwicklung und Umwelt. Die neuen Statuten treten in Kraft. Sehr erfreulich verliefen die Nationalrats- und Kantonsratswahlen für die SP, Elgg.
1981 Es fanden insgesamt 9 Veranstaltungen zu verschiedenen Themen statt. Die Alusammelstelle und die eigenen Zeitungen konnten als grosser Erfolg gewertet werden. Arbeitsgruppe Entwicklung wird aufgelöst.
1982 Die Aktivitäten der SP-Elgg sind trotz einigen Unstimmigkeiten doch zufriedenstellend. Die Alusammelstelle läuft weiterhin zufriedenstellend.
1983 Es fanden 11 Veranstaltungen statt. Zu den Themen Bildungsarbeit, Wirtschafts-, Entwicklungsländer und Zukunftsprobleme, um nur einige Schwerpunkte zu nennen. Nach aussen war man vor allem in Sachen Panzereinstellhallen und Mäder-Affäre aktiv. Ausarbeitung des Zukunftsleitbildes der Gemeinde Elgg. Die Arbeitsgruppe Umwelt wird aufgelöst.
1984 Veranstaltung mit unseren Kantonsratskandidaten Peter Zeugin zum aktuellen Vortrag über Jugendprobleme. In der Wahl verlor er leider sehr knapp hinter dem Tösstaler Kandidaten H. Pavesi. Beschluss des Problems Zivilgemeinde aufzunehmen.
Weitere Aktivitäten zum Thema Panzerhalle. An der Gemeindeversammlung stellte die SP 2 Änderungsanträge zur neuen Bauordnung.
1985 Beteiligung an einem Podiumsgespräch zur Bankeninitiative Gründung eines überparteilichen Komitees Panzerhalle, Einreichung der Zivilgemeindeinitiative mit 326 Unterschriften (abgelehnt), verschiedene Wahlveranstaltungen, Einführung des Steuerprozentes der Gemeinde Elgg zu Gunsten der dritten Welt.
1986. Verschiedene Wahlveranstaltungen, darunter der sehr erfolgreiche Crepe-Stand, A. Soldini wird neu in den Gemeinderat gewählt.

(Die Angaben beziehen sich auf das jeweilige Geschäftsjahr und wurden zusammengefasst von Erich Wegmann)
© 2002 SP Elgg